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Sport in Augsburg

Joe Cramarossa im Interview

18.09.25 - 10:15 Uhr

Die Saison 2025-26 ist für Joe Cramarossa die erste im Trikot der Augsburger Panther. Der kanadische Stürmer wechselte im Sommer von den Vienna Capitals aus der multinationalen ICE Hockey League in die Fuggerstadt und unterzeichnete bei den Panthern einen Vertrag für die aktuelle Spielzeit. Vor einigen Wochen hat sich "Sport in Augsburg" mit ihm zu einem Interview getroffen.

Sport in Augsburg: Wie sind deine ersten Eindrücke?

Joe Cramarossa: Ich habe schon vor meiner Ankunft viele Informationen und Einblicke von anderen Spielern bekommen. Von Cody Kunyk, mit dem ich gemeinsam für die Löwen Frankfurt gespielt habe und Thomas Schemitsch und Riley Damiani, die ich beide noch von früher kenne. Alles ist sehr gut organisiert, Markus Keller ist in seiner Rolle als Teammanager eine super Hilfe, alle Termine laufen reibungslos und die Arena sowie die Einrichtungen sind schön. Es war ein sehr guter Start für mich und alle Erwartungen wurden absolut erfüllt.

Und wie gefällt dir die Stadt?

Ich war mit den Mannschaftskollegen bereits viel unterwegs. Wir haben einige Restaurants ausprobiert und alle waren richtig gut. Die Stadt hat eine perfekte Größe – nicht zu groß und nicht zu klein. Das einzige Problem sind die Parkmöglichkeiten in der Innenstadt. Das ist echt schwierig. Ich bin daher oft mit dem E-Scooter unterwegs. Vielleicht brauche ich bald ein Abo oder kaufe mir einen eigenen. In Nordamerika gibt es mehr Platz und überall genügend Parkplätze. Hier ist es anders, aber das bin ich schon von meinen vorherigen Stationen in Europa gewöhnt.

Wo hast du die Sommermonate verbracht?

In Toronto. Nach jeder Saison suchen meine Frau und ich nur für den Sommer über eine möblierte Mietswohnung in Toronto. Dieses Jahr waren wir direkt im Stadtzentrum. Wir hatten eine schöne Wohnung mit viel Platz für uns und unsere kleine Tochter. Wir nehmen immer nur das Nötigste mit. Nur ein paar Koffer. Das macht das Kommen und Gehen einfacher. So machen wir das seit mittlerweile sechs Jahren. Irgendwann wollen wir uns in Toronto oder der näheren Umgebung dauerhaft niederlassen, aber solange ich Eishockey spiele, ist das die beste Lösung für uns.

Kommst du ursprünglich aus Toronto?

Ja. Die Wohnung, die ich eben erwähnte, ist nur fünf Minuten von der Schule entfernt, die ich als Kind besucht habe. Meine Eltern und auch die Schwiegereltern wohnen in Toronto.

Hast du einen festen Ort in Toronto, wo du den Sommer trainierst?

Nicht wirklich. Nach 13 Jahren Profieishockey habe ich alle meine Lieblingsübungen gesammelt und mir einen eigenen Trainingsplan zusammengestellt. Ich suche mir dann einfach das beste Fitnessstudio in der Umgebung. Dieses Jahr war es eines nur fünf Minuten von unserer Wohnung entfernt. Früher bin ich zu einem speziellen Hockey-Gym gefahren, aber das war dieses Jahr zu weit weg. Meine Frau war arbeiten und ich habe auf unsere Tochter aufgepasst. Da musste ich flexibel sein.

Arbeitet deine Frau auch hier in Augsburg?

Ja, sie arbeitet remote als Anwältin für eine Kanzlei in Toronto. Ihre Arbeitszeiten sind nicht ideal, aber sie war bereit, dieses Opfer zu bringen und ich bin ihr sehr dankbar dafür.

Habt ihr schon Pläne für die kommenden Wochen und Monate, beispielsweise einen Ausflug oder eine Reise?

Noch nicht. Die Pläne entstehen meist kurzfristig. Es wäre schön, mit unserer Tochter etwas zu unternehmen. Meistens bilden sich im Team kleine Gruppen. Die einen bevorzugen einen Bergurlaub, die anderen einen Strandurlaub oder eine Städtereise. Es hängt auch immer davon ab, ob die Spieler mit Familie oder allein hier sind. Als ich noch in Frankfurt spielte, waren Cody Kunyk und ich gemeinsam auf Malta. Vielleicht machen wir das nochmal.

Wie hat deiner Frau und dir eure letzte Station Wien gefallen?

Wir haben Wien geliebt. Die Architektur ist wunderschön. Wir wollten die Stadt schon früher besuchen, aber es hat nie geklappt. Wien ist ein beliebtes Reiseziel. Dort leben und Eishockey spielen zu können, das war großartig. Man gewöhnt sich an die öffentlichen Verkehrsmittel und besucht Museen. Insgesamt eine tolle Erfahrung.

Wann und wie kam der Kontakt mit den Panthern zustande?

Letzten Sommer habe ich Larry Mitchell in Toronto getroffen. Er war ehrlich und meinte, er habe bereits einen genauen Plan für das Team und dass er sich nicht sicher sei, ob noch ein Platz für mich frei wäre. Es hat leider nicht geklappt, aber ich habe ihm Ende letzter Saison eine Nachricht geschickt: „Wenn du noch jemanden brauchst, denk an mich." Genau so kam es dann auch. Er erinnerte sich an mich und kontaktierte meinen Agenten. Ich hatte bereits andere Angebote vorliegen, die ich jedoch aus familiären Gründen abgelehnt habe. Vielleicht war es Schicksal. Wenn ich mir drei Wunschziele hätte aussuchen können, wäre Augsburg sicher dabei gewesen. Ich bin sehr froh, dass es geklappt hat.

Kennst du neben den vorher erwähnten Thomas Schemitsch, Cody Kunyk und Riley Damiani noch weitere Spieler im Kader?

Ja, ich kenne Tim Wohlgemuth, Fabrizio Pilu und Luca Tosto aus meiner Zeit in Mannheim und natürlich Peyton Jones durch unsere gemeinsame letzte Saison in Wien. Die Eishockeywelt ist doch klein. Peyton Jones hat mich im Sommer angerufen und während wir telefonierten, rief mich Bill Peters an. Ein verrückter Zufall.

Nun ein Blick ein paar Jahre zurück. Wie bist du zum Eishockey gekommen?

Durch meinen Vater. Er hat selbst Eishockey gespielt und wurde von den Washington Capitals gedraftet. Als Kinder haben mein Bruder und ich gemeinsam in einer Mannschaft gespielt. Unser Vater war auch unser Trainer. Mit meinem Bruder habe ich sogar eine Saison zusammen für die Belleville Bulls in der OHL gespielt – mein letztes und sein erstes Jahr in der OHL. Das war eine besondere Erfahrung für uns beide.

Als Kind hast du vermutlich davon geträumt, in der NHL zu spielen. 2011 wurdest du von den Anaheim Ducks gedraftet. Kannst du uns etwas von deinen Erfahrungen und Eindrücken von damals erzählen?

Ich war in der Juniorenliga nie der Superstar der Mannschaft oder der Typ Spieler, von dem jeder der Meinung war, dass er den Sprung in die NHL ganz sicher schaffen wird. Ich hatte jedoch immer gute Coaches. Vor allem mein ehemaliger Trainer Dave Cameron hat mich als Spieler geformt und mir geholfen, mich weiterzuentwickeln und mein Potenzial voll auszuschöpfen. Beim Draft hatte ich ein gutes Gespräch mit Anaheim und wurde schließlich von den Ducks in der dritten Runde mit dem 65. Pick ausgewählt. Ich erinnere mich, dass ich meinen Namen hörte, aber es nicht so wirklich realisieren konnte. Es war ein besonderer Moment. Mein erstes Spiel habe ich dann erst fünf Jahre später gemacht.

Was sind deine Erinnerungen an dein erstes Spiel für die Ducks?

Es war am 23. Oktober 2016. Das erste Heimspiel der Saison gegen die Vancouver Canucks, zu denen ich während der Saison gewechselt bin. Wir haben 4-2 gewonnen. Mein „Willkommen in der NHL"-Moment war als ich gegen die Sedins auf dem Eis stand. Das fühlte sich surreal an.

Wie würdest du rückblickend deine Zeit als Profi in Nordamerika beschreiben?

Es gab viele Höhen und Tiefen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Nach meiner ersten Saison in der NHL mit knapp 60 Spielen wurde mir für die nächste Spielzeit nur ein AHL-Vertrag angeboten. Das hat mich damals überrascht und auch enttäuscht. Es war ein Rückschlag für mich. Ich habe dennoch nie aufgegeben und wollte es unbedingt zurück in die NHL schaffen. Es war ein langer und harter Weg, aber vier Jahre später spielte ich wieder einige Spiele für die Minnesota Wild. Das war für mich ein großer Erfolg und der Beweis, dass sich Durchhaltevermögen durchaus auszahlt.

Warum hast du dich vor knapp drei Jahren für einen Wechsel nach Europa entschieden?

Ich war zu diesem Zeitpunkt in der Organisation der Minnesota Wild unter Vertrag, spielte aber einen ganzen Monat lang nicht – weder für die Wild in der NHL noch für den AHL-Affiliate in Des Moines, Iowa. Ich hatte damals ein Angebot der Adler Mannheim vorliegen, war bereits 30 Jahre alt, hatte mein Ziel in der NHL zu spielen erreicht und war auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Ich bin sehr froh, diesen Schritt gemacht zu haben. Viele nordamerikanische Spieler sagen, sie wären gerne früher nach Europa gekommen. Hätte ich nicht die Chance gesehen, noch ein paar Spiele in der NHL machen zu können, wäre ich vermutlich auch früher nach Europa gegangen.

Was sind deiner Ansicht nach die größten Vorteile in Europa gegenüber Nordamerika?

Weniger und kürzere Auswärtsfahrten, tolle Städte, neue Erfahrungen, unglaubliche Fans. Man hat längere Abstände zwischen den Spielen und daher mehr Zeit für die Regeneration und auch mehr Zeit für die Familie. Es ist ein großartiger Lebensstil.

Und was gefällt dir am besten am Beruf Eishockeyprofi?

Mit Freunden gemeinsam den Sport auszuüben, den ich liebe. In einem fremden Land zu leben und fürs Eishockeyspielen bezahlt zu werden. Das ist ein Geschenk und ich bin sehr dankbar dafür.

Was war die bisher wichtigste Erfahrung deiner Karriere?

Dass nicht immer alles fair ist und so läuft, wie man es sich erhofft oder erwartet. Viele Leute geben auf, sobald es schwierig wird. Wie vorhin erwähnt, gab es in meiner Laufbahn einige Höhe- und Tiefpunkte. Man muss immer weitermachen, an sich arbeiten und sein Bestes geben. Es ist alles eine Frage des Mindsets.

Welche Faktoren machen deiner Ansicht nach den größten Unterschied über Sieg und Niederlage in einem Spiel aus?

Das ist eine gute Frage. Für mich persönlich sind es die Vorbereitung auf das Spiel und der Fokus während des Spiels. Wenn man versucht, etwas zu erzwingen, dann passieren Fehler. Man muss dem Spiel seinen Lauf lassen.

Wie bleibst du nach negativen Erlebnissen und Niederlagen positiv und fokussiert?

Ich habe mal gelesen: „Wenn du in einem Loch bist, hör auf zu graben." Man muss Fehler abhaken und weitermachen. Einfach von Shift zu Shift denken.

Hast du vor Spielen bestimmte Rituale oder feste Abläufe?

Ich bin nicht abergläubisch. Rituale habe ich auch keine. Eine feste Routine aber schon – Stick tapen, aufwärmen, essen, viel schlafen. Ausreichend Schlaf und das Aufwärmen vor dem Training und den Spielen sind mit dem Alter wichtiger geworden. Sowohl an Spieltagen als auch beim Training bin ich immer früh in der Halle, um alles in Ruhe zu machen.

Wie wichtig ist das Thema Ernährung für dich?

Früher konnte ich jederzeit alles essen. Heute muss ich mehr darauf achten, beispielsweise am Abend nicht mehr zu spät zu essen. Ich habe das Gefühl, dass die Ernährung und Erholung heute deutlich mehr Einfluss auf meine Leistungen auf dem Eis haben als noch in jungen Jahren.

Wie kannst du nach Spielen am besten entspannen?

Früher Fernsehen, heute meine Familie. Meine Tochter kommt mir entgegen, wenn ich nach Hause komme. Das ist mein Ausgleich. Seit der Geburt meiner Tochter habe ich gefühlt keine Minute ferngesehen.

Was machst du gerne abseits der Eisfläche? Welche Hobbys und Interessen hast du?

Ein Hobby, mit dem ich viel Zeit verbringe, habe ich nicht. Ich würde sagen, dass ich mein größtes Hobby zum Beruf gemacht habe. Ich bin einfach gerne mit meinen Freunden und meiner Familie zusammen. Ich stehe allen Aktivitäten offen gegenüber.

Hast du schon eine genaue Vorstellung oder gar Pläne, was du beruflich nach deiner Eishockeylaufbahn machen möchtest?

Das weiß ich noch nicht. Ich habe mich damit aber schon häufiger beschäftigt. Vielleicht bleibe ich dem Eishockey treu oder gehe ich in die Versicherungsbranche. Einige Familienangehörige arbeiten in diesem Bereich. Ich möchte auf jeden Fall so lange wie möglich professionell Eishockey spielen.

Gibt es etwas, das die Fans überraschen würde über dich zu erfahren?

Diese Frage wurde mir schon öfter gestellt. Ich vergesse leider immer, was ich das letzte Mal darauf geantwortet habe (lacht). Spontan fällt mir nichts so wirklich ein. Mein Bruder und meine Schwester sind Zwillinge. Meine Abstammung ist halb italienisch und halb griechisch. Das war's eigentlich.

Die letzte Frage: Was sind deine Ziele für die neue Saison?

In meiner Rolle zu überzeugen und dem Team dabei zu helfen, erfolgreicher zu sein als in den vergangenen Jahren. Nach den Gesprächen mit Larry Mitchell und Bill Peters ist mir klar, was von mir erwartet wird. Ich bin ein physischer Spieler und vielseitig einsetzbar. Wenn wir gewinnen und ich meinen Beitrag dazu leisten kann, ist das für mich der größte Erfolg.